Die Einstellung gegenüber dem Militär

myth

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20. Mai 2017
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Hoi zäme

Man hört ja oft, dass man sich nicht gerade beliebt macht, wenn man nach dem Sinn fragt oder anfängt zu diskutieren. Doch ich bin genau so eine Person. Etwas zu machen, dass keinen Sinn ergibt, fällt mir extrem schwer. Oft diskutiere ich, wenn ich irgendwo Verbesserungspotential sehe. Es geht nicht ums widersetzen sondern mehr darum, Bestehendes besser zu machen, dazuzulernen.

Vor kurzem fand ein Vorkurs statt, und da hat eine höhere Person gesagt, hinterfragen und diskutieren käme in der RS nicht in Frage. Mir kam die Frage auf, wie ich damit umgehen soll. Darf man seinen Kopf nicht einschalten? Wenn man etwas besser machen könnte, darf man das nicht anbringen? Wie ist das Mass bzw. gibt es überhaupt ein Mass? Mir ist bewusst, ständiges Hinterfragen ist mühsam und führt dazu, dass es chaotisch und ineffizient wird, doch komplett umgekehrt ist es auch nicht ideal!

An diesem Vorkurs war da ein Unteroffizier, der richtig schlecht mit seinen Leuten umgegangen ist (also ein A****). Das hat mich richtig aufgeregt! Am liebsten würde ich selbst weitermachen und es einfach besser machen! Doch ist das schlau mit dieser Einstellung, nach der Suche nach dem Sinn? Wie viel Spielraum hätte ich, wenn es um das Führen geht? Am liebsten würde ich Führungserfahrung darüber sammeln können, was eine gute Führungsperson ausmacht, so dass man die Loyalität und den Respekt verdient und nicht einfach zugesprochen bekommt aufgrund Angstmacherei, Anschreien oder der Hierarchie. Was sind eure Erfahrungen oder eure Meinung dazu?

Gruess

 
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In der Tat kann man bei einigen Dingen keinen Sinn dahinter sehen. Auch ich dachte mir, wenn ich weiter mache, will ich Sinn vermitteln können. Manchmal is mir das gelungen, manchmal nicht, und manchmal merkt man erst Jahre später, warum gewisse Dinge gehandhabt werden, wie sie gehandhabt werden.

Mit der Einstellung, es besser zu machen als die unfähigen (Unter)Offiziere wirst du sicherlich schon deswegen besser dastehen und deine Leute motivieren können.

Vor Allem im WK habe ich folgendes bemerkt. Sage ich meinen Leuten, dass ich zwar auch nicht kapiere, warum wir was machen müssen, aber wenn wir das trotzdem mit vollem Einsatz angehen, unser Leben sehr viel einfacher wird, dann bringen sie auch die Leistung. Und man lebt dann auch wirklich angenehmer, da die Überprüfungsbesuche dann vorzugsweise bei den Einheiten stattfinden, die sich quer gestellt oder geschlampt haben.

Anschreien und so wirkt vielleicht die ersten ein zwei Wochen, danach nimmt dich keiner mehr ernst. Vor Allem wenn du das im WK versuchst. Dann endest du wie ein Offizier, der mit mir die RS machte, mit der Unterhose am Kleiderhaken.

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Hi myth

Um eines vorweg zu nehmen: Entgegen der allgemeinen Annahme ist es in der Armee sehr wohl erlaubt (und oft auch ausdrücklich erwünscht), mitzudenken. Jede Führungsperson wird mir beipflichten, dass ein Soldat, der die Situation analysiert und selbstständig sinnvolle Schlüsse daraus zieht, einen Mehrwert generiert und dem klassischen Bild des blind gehorsamen Untergebenen vorzuziehen ist.

Der grosse Unterschied zur zivilen Welt ist lediglich, dass ein militärischer Vorgesetzter die Möglichkeit hat, eine mühsame Frage ohne Begründung wegwischen zu können; doch nur weil er dies kann (und einige dies aus Bequemlichkeit auch oft anwenden), bedeutet das noch lange nicht, dass es der richtige Weg ist und stets so gehandhabt werden sollte. Auch im Zivilen würde man teils gerne einer unbequemen oder langwierigen  Antwort aus dem Weg gehen, nur geht das schlicht nicht so einfach. Wie bei den meisten Themen, bei denen die Armee stark kritisiert wird, ist dies einerseits ein Problem, das per se nichts mit der Armee zu tun hat, und bei dem anderseits durch Rosinenpickerei schlechter Beispiele ein Vorurteil verstärkt wird (denn ich selbst hatte zB. einen Gruppenführer, welche uns explizit vor einem Einsatz nach unseren Ideen gefragt hat, bevor er seine Entscheidung fällte).

Ich war exakt in der selben Situation wie du zu Beginn meines Dienstes: eine Person, die bei absolut allem den Sinn dahinter sehen will und nicht nur fragt, wieso man etwas wie beschrieben machen sollte, sondern weshalb es nicht einfacher/besser/sinnvoller wäre, es auf eine andere Weise X auszuführen. Und dass ich die Ausbildung doch als Infanterie Offizier (ja, die vermeintlich "dumme, sture, sich nichts überlegende, mit dem Kopf durch die Wand" Infanterie) abschliessen konnte, zeigt, dass es für eine solche Person durchaus möglich ist, diesen Charakter und das Militär zu vereinen.

Jedoch mussten dafür auch einige Voraussetzungen gegeben sein. Ich war in einer Einheit (den Sensoren (grob "Aufklärer & Scharfschützen")), bei welchen Intelligenz und Eigenständigkeit von zentraler Bedeutung sind, wobei nach diesen Kriterien selektioniert und sie gezielt  gefördert werden. Zudem hatte ich einen Zugführer, der sich für seine Rekruten eingesetzt hat und Fragen nicht direkt ermutigt, aber dennoch befürwortet und so gut wie möglich beantwortet hat. Zudem waren auch meine Gruppenführer nicht gerade berauscht durch "Obgfr, Rekr X; Wäre es nicht sinnvoller, wenn...?", aber sie gaben sich stets Mühe, die Fragen zu beantworten, auch wenn dies zur Folge hatte, dass sie auch einmal eigenes Unwissen offenbaren oder selbst etwas nachfragen mussten und erst am darauffolgenden Tag mit der Antwort kommen konnten. Zentral ist jedoch, dass die Frage nach dem Sinn nicht blockiert wurde, sondern ganz im Gegenteil mit Zusatzaufwand für die Vorgesetzten eine gerechte Antwort gesucht wurde.
Auch in meinem späteren Werdegang hatten es die Berufsunteroffiziere und -offiziere nicht unbedingt leicht mit mir. Teils muss man sich anhören, dass man die Dinge nun einfach so akzeptieren muss ( das klassische "ist so weil ist so"); das kompetente Kader konnte jedoch mehrheitlich den tieferliegenden Grund dahinter aufzeigen, sodass für alle eine Win-Win-Situation entstand (sie konnten ihr Wissen zeigen, wir erfuhren mehr, um dies danach selbst weitergeben zu können). Oft erscheinen Dinge auf den ersten Blick als absolut sinnbefreit, offenbaren aber sehr wohl ihre Gültigkeit, wenn man sie aus einem anderen Blickwinkel (und oft von einer hierarchisch höheren Stufe) aus betrachtet. Und teils wurde mir schlicht zugestimmt, dass es Möglichkeiten zur Optimierung gibt (so gab der Autor des Sturmgewehr-Reglements selbst zu, dass viele der Manipulationen im Nachhinein gesehen suboptimal sind  ;) ). Somit muss man auch schlicht akzeptieren können, dass vieles so ist und nicht es auch für die vorgesetzte Stelle nicht möglich ist, dies zu ändern; als Entschuldigung für alles darf dies jedoch auf keinen Fall dienen.

Zwei Punkte, welche zu diesem Thema zentral sind, hast du bereits selbst angesprochen. Teils ist es aus Zeitgründen nicht möglich, auf jede Frage einzugehen. Anderseits kann man sich den Respekt der Unterstellten nur verdienen, wenn diese auch in dich und deine Entscheidungen vertrauen und sie sehen, dass du dir dazu Gedanken gemacht hast. Deshalb ist es wichtig, dass Fragen stets zugelassen werden, wenn die Möglichkeit dazu besteht, um ihnen zu zeigen, dass hinter deinen Befehlen auch ein Sinn steckt (nicht umsonst ist die Sinnvermittlung eines der wichtigsten Themen der militärischen Führungsausbildung). Ich habe stets versucht, meinen Unterstellten das selbe zu bieten, was ich auch selbst von meinen Vorgesetzten erwarte. Jedoch muss man als Vorgesetzter selbstständig entscheiden, ob und wie viele solcher Anmerkungen angebracht sind und wie man auf sie reagieren will. Und selbstverständlich muss auch ein Soldat ein gesundes Mass an Fragen finden; auch meine Geduld hatte teils Grenzen, und wer dies nicht rechtzeitig bemerkt hat, dem musste man sanft darauf hinweisen  xD

Kurz zusammengefasst: Als Führungsperson ist es zentral, auf seine Untergebenen zu hören und deren Inputs ernst zu nehmen. Danach sollte man diese den Umständen entsprechend behandeln, selbst eine Entscheidung fällen und diese (falls angebracht) auch begründen. Meiner Erfahrung nach haben (zumindest alle guten Kader) diesen Grundsatz auch eingehalten und sich durchaus dankbar für Anmerkungen gezeigt. Natürlich gibt es auch Negativbeispiele, aber genau diese sind die beste Lernvorlage, wie man es nicht tun soll, und lehren dir am Meisten. Wie @Mugendai erwähnt hat: Führen über den Rang funktioniert höchstens einige Wochen; somit kann man gestellt Fragen direkt nützen, um sein Wissen zu zeigen und sich eine Fachautorität anzueignen.

 
Mitdenken ist auf allen Stufen immer gerne gesehen. Konstruktive Beiträge im richtigen Moment und Ton auch, dafür brauchst du aber ein gewisses Einfühlungsvermögen. In den ersten Wochen kann es dir also durchaus passieren, dass du mit einem "Schnautze tief!" von einem Vorgesetzten konfrontiert wirst. Je höher du dich auf der Kaderleiter befindest, desto mehr Verantwortung übernimmst du, was auch zu mehr Entscheidungsfreiheit führt. Ganz entscheidend sind aber immer deine Vorgesetzten. Es gibt auf allen Stufen Leute, die dir extrem viel Spielraum und Mitgestaltung gewähren und solche, die dich komplett einschränken.

Ich würde an deiner Stelle die RS beginnen und eine Kaderkarriere ernsthaft in Betracht ziehen. Nach ein paar Wochen solltest du ein wesentlich präziseres Bild der Situation haben und dich entsprechend entscheiden können. So wie ich dich aufgrund deiner Beschreibung einschätze, könntest du ein herrvorragender (Unter-)Offizier werden. Aber wie du wirklich tickst, kann ich den paar Absätzen natürlich nicht entnehmen. Ich glaube auch nicht, dass ich das könnte, wenn ich dich gut kennen würde. Das ist in der Regel etwas, was man selbst herausfinden würde.

Meine Faustregel, bei Leuten, die am Militär zweifeln, es aber nicht ausschliessen ist folgende: Geh hin, gib dein Bestes (lass dich auf keinen Fall von all den "Aaschiss"-Leuten runterziehen, das bringt niemandem was) und wenn du es wirklich nicht ertragen kannst, machst du halt Zivildienst.

 
Es ist halt so wie auch im Zivilen: Das Meiste ergibt erst Sinn, wenn man auf der entsprechenden Stufe stehen und das Gesamte sehen würde. Bisher habe ich immer versucht meinen Untergebenen dieses Bild zu geben und ich diskutiere auch gerne über Sinn und Unsinn. Bisher war es dann für mich auch so, dass die Soldaten dann auch das gemacht haben, was man von ihnen verlangt hat, da sie wussten, das ich mir die selben Überlegungen oder ihre Gedankengänge mache. 

Das Leben als Sdt ist sehr angenehm, wenn man einfach das macht, was einem gesagt wird und sich nicht mit den Problemen der Uof auseinandersetzen muss.  ;)  

Die Sache mit dem "Schnauze tief!" ist für mich ein Phänomen, das sehr interessant ist. Es ist doch so, dass wenn man irgendwo neu ist (Schule, Verein, Wohnort usw.), am Anfang schauen sollte wie es dort funktioniert. Warum gleich immer die "Schnauze" aufreissen wollen? Ab einer bestimmten Zeit, darf man dann auch mal seinen Senf dazu geben. 

Mitdenken ist übrigens nicht nur erwünscht sondern eine Pflicht des Soldaten!

 
Vor kurzem fand ein Vorkurs statt, und da hat eine höhere Person gesagt, hinterfragen und diskutieren käme in der RS nicht in Frage. Mir kam die Frage auf, wie ich damit umgehen soll. Darf man seinen Kopf nicht einschalten? Wenn man etwas besser machen könnte, darf man das nicht anbringen?
Du sprichst das Problem gerade selber an. Jetzt stell dir vor der Gruppenführer ist mit 20 Soldaten unterwegs um eine Aufgabe zu lösen. Nun holt er diese Soldaten zusammen um ihnen die Anweisungen zu geben wie er die Aufgabe lösen möchte. Danach melden sich 15 Soldaten mit Anregungen und Verbesserungsvorschlägen. Das kann so nicht funktionieren. In der AGA ist sowieso alles genau definiert, die Zeit knapp bemessen etc. Stell dich da schon mal drauf ein gerade am Anfang der RS (Drillphase) hast du besser nix zu melden und die meisten Sachen scheinen dir total unnötig. Alles sehr stressig dort ist für Demokratie wenig übrig. Aber das schöne an der Sache ist einfach du musst nie alleine da durch. In der Gruppe sind sogar die unnötigsten und sinnlosesten Aufgaben irgendwie erträglich weils einfach alle machen müssen.

Irgendwann kommst du dann in die Funktionsausbildung dort, so habe ich es erlebt, war es dann für mich möglich etwas selbstständiger zu agieren. Irgendwann sind die Gruppenführer dann sogar froh wenn sie konstruktive Vorschläge von den Sdt. erhalten da sie selber auch nicht mehr Erfahrung mit den zu lösenden Aufgaben haben. 

Gruss Eko